Führung tut not
Besonders wichtig für den ordnungsgemäßen Ablauf der Mitgliederversammlung (MV) ist eine möglichst souveräne Versammlungsleitung. Wem fällt diese Aufgabe zu? Auch hier ist zunächst ein Blick in die Vereinssatzung zu werfen. Diese kann den Versammlungsleiter (VL) bestimmen und auch Vorsorge für den Fall treffen, dass die vorgesehene Person verhindert ist oder sich ablehnend zeigt. So könnte in der Satzung stehen:
„Die MV wird vom 1. Vorsitzenden geleitet. Ist dieser verhindert oder lehnt ab, wählt die MV ein Mitglied zum VL.“ Oder: „Die MV wird vom Vorsitzenden, bei dessen Abwesenheit oder Weigerung vom stellvertretenden Vorsitzenden geleitet. Ist auch dieser abwesend oder lehnt ab, wählen die anwesenden Vorstandsmitglieder den VL.“
Findet sich in der Satzung keine Regelung, fällt die Leitungsaufgabe dem Vorsitzenden, ersatzweise seinem Stellvertreter zu. Die MV darf aber in diesem Fall einen anderen VL wählen, was ihr hingegen nicht gestattet ist, wenn die Satzung einen bestimmten Funktionsträger (z.B. den 1. oder 2. Vorsitzenden) mit der Leitung beauftragt. Nur wenn dieser absagt oder verhindert ist, kommt dann die MV ins Spiel. Hat die MV einen VL gewählt, kann sie diesen im Verlauf der MV wieder abwählen und durch eine andere Person ersetzen.
Der VL muss nicht zwingend Vereinsmitglied sein, es sei denn die Satzung legt dies so fest. Ist der VL wegen Befangenheit bei einzelnen Tagesordnungspunkten nicht stimmberechtigt (§ 34 Bürgerliches Gesetzbuch) oder kandidiert für ein Vereinsamt, muss er vorübergehend die Versammlungsleitung abgeben. In letzteren Fall wird jedoch ohnehin häufig ein Wahlleiter oder –ausschuss gewählt.
Welche Befugnisse hat der VL? Er hat für den ordnungsgemäßen äußeren Ablauf der MV Sorge zu tragen. Daraus leiten sich z.B. folgende Befugnisse ab: Der VL entscheidet, ob jemand teilnahmeberechtigt ist, und stellt die ordnungsgemäße Einberufung bzw. Beschlussfähigkeit der MV fest. Er eröffnet, unterbricht und schließt die MV. Weiter ist er zuständig für die Bekanntgabe der Tagesordnung sowie den Aufruf der Tagesordnungspunkte. Er erteilt und entzieht das Wort und kann als Hausrechtsinhaber Ordnungsmaßnahmen bis zum Saalverweis aussprechen.
In manchen Bereichen konkurriert er mit den Rechten der MV. Das heißt, er kann zwar Entscheidungen treffen, die jedoch – vorbehaltlich der Satzung – durch endgültigen Beschluss der MV korrigiert werden können. Zum Verfahrensablauf: Der VL gibt z.B. bekannt, dass eine Abstimmung nach seiner Entscheidung offen durchgeführt wird, und gewährt Gelegenheit zur Äußerung. Dann kann ein Mitglied beantragen, dass die MV geheime Abstimmung beschließen möge. Dies betrifft etwa folgende Punkte: Zulassung von Nichtmitgliedern als Gäste (z.B. Presse), Erlaubnis von Bild- und Tonaufnahmen, Entscheidung über die Form von Beschlüssen und Wahlen (z.B. offen oder geheim), allgemeine Festlegung der Redezeit und Ende der Debatte.
Hingegen wird allein die MV als zuständig angesehen für die Vertagung der Versammlung oder die endgültige Nichtbehandlung von Tagesordnungspunkten und Anträgen.
Manche Gerichte verteilen die Zuständigkeiten und Befugnisse etwas anders. Zudem kommt es hier – wie gesehen – auch auf die Satzung bzw. eine Geschäftsordnung für die MV an. Daher sollte ein VL seine Rechte vor der MV genau prüfen und in einem „Fahrplan“ notieren.